Alpine Village LA: Die neue deutsche Gemütlichkeit (2024)

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Alpine Village LADie neue deutsche Gemütlichkeit

20.03.2011 - 12:08 Uhr

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Das Alpine Village ist ein deutsches Dorf südlich von Los Angeles und sucht neue Kunden. Rettung bieten Pils und Hefeweizen.

Susanne Janssen

20.03.2011 - 12:08 Uhr

Los Angeles - Wer die Ausfahrt Torrance Boulevard vom Freeway südlich von Los Angeles nimmt, sieht es sofort: Neben dem riesigen Parkplatz ein Schild mit imitierter Lüftlmalerei "Alpine Village - Home of the Oktoberfest" steht darauf. Dahinter: ein kleines deutsches Dorf. So, wie es sich die Amerikaner vorstellen. Am Eingang eine Art Supermarkt, dunkel, klein, daneben das Restaurant Alpine Inn, das deutsche Spezialitäten kocht, dann ein Dorfplatz mit einer Minikapelle und vielen kleinen Geschäften. Ein Eldorado für alle, denen das Essen auf einer Europareise geschmeckt hat.

"Ich liebe das deutsche Brot", sagt eine Frau aus Los Angeles, die im Supermarkt einkauft. In der Tat: die Laibe aus der Bäckerei haben viel mehr Konsistenz als amerikanischer Toast, der wochenlang im Kühlschrank liegen kann, ohne schlecht zu werden. Die Bäckerei stellt auch Mohnschnecken, Apfelkuchen und Hefezöpfe her, die fast mit hausgemachten konkurrieren können. Die Brezel hingegen kommt ohne Salz und glänzende Lauge daher und schmeckt eindeutig trockener als das schwäbische Original. Dennoch ist das Gebäck am frühen Nachmittag ausverkauft.

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Ein Paar testet eine Buttercremeschnitte für eine Geburtstagstorte - die Modelle sehen italienisch aus. Auch sonst ist die Auswahl multikulturell: Maultaschen und polnische Piroggen, hergestellt in New York, Ritter-Sport-Schokolade, Eierspätzle, bayerisches und belgisches Bier, ein Trollinger von der Württembergischen Zentralgärtnergenossenschaft für stolze 14,95 Dollar neben ungarischen und spanischen Weinen. "Wir wollen den Amerikanern eine andere Kultur bieten", sagt Otto Radtke. Der 40-Jährige hat deutsche Eltern, ist aber in Los Angeles geboren und managt seit einem Jahr das Alpine Village. Zuvor hat er eine Versicherungsagentur betrieben, er könne aber auch Bier brauen, sagt er. Doch die Kunden wollten lieber die importierten Sorten aus Deutschland oder Belgien. Amerikaner könnten einfach nicht so gutes, starkes Bier brauen.

Die Lebensmittel sind der stärkste Magnet

Überhaupt sind die Lebensmittel der stärkste Magnet. Die Fleischerei macht Aufschnitt, Leberwurst, blasse Weißwürste und Braten. Dafür biegen viele Kunden gerne vom Freeway ab: "Der Geschmack ist einfach anders: marvelous" (ausgezeichnet), sagt eine Lehrerin, die nie die USA verlassen hat, aber von einem europäischen Bekannten den Tipp bekam. Die anderen Läden im Alpine Village hat sie noch nie besucht.

Und so ist in den Geschäften, die alle eigenständig wirtschaften, unter der Woche nicht viel los. Der Besitzer des "Salamander Schuhe" hat deutschstämmige Eltern, vermisst aber seine Heimat New York: "Die Leute hier sind mir zu relaxt", sagt er. Im Sommer werde er mit seiner Familie nach Deutschland reisen und dabei auch Kornwestheim, den Salamander-Stammsitz, besuchen. Neben Haflinger-Filzpantoffeln und Ara-Bequemschuhen hat er aber nichts Deutsches im Angebot. Das ist bei Eleonore Kish anders. Die Frankfurterin und ihr Mann sind vor 21 Jahren ausgewandert, "wir haben es nie bereut", auch wenn sie nie ganz warm mit den Amerikanern geworden seien. Kish verkauft im Alpine Village Kosmetik, Kräuter und Tee, alles aus Deutschland. Die Naturcremes und Shampoos finden ihre Käufer, viele steuern gezielt ihren Laden an, um anthroposophisch gerührte Cremes zu kaufen - auch einige Stars wie Julia Roberts sollen darauf schwören.

Es gibt Bierkrüge, Hummelfiguren, Dirndl und CDs mit Volksmusik. Der Zeitschriftenladen hat neben allen großen deutschen Magazinen auch die rechtsextreme "Deutsche Nationalzeitung" im Regal. Die französische Bedienung weiß nichts über den Inhalt, "es kommen einzelne Kunden, die diese Zeitung kaufen". Doch diese Klientel stirbt aus: "Die älteren deutschen Immigranten, die ihre Kultur beibehalten wollen, gibt es immer weniger", sagt der Chef Otto Radtke.

Das Oktoberfest kommt an

Und so plant er einige Neuerungen, um das Alpine Village auch für Jüngere attraktiv zu machen: "Die Tanzabende gehen gar nicht mehr." Radtke möchte mehr Livemusik, zu der die Gäste ihr Bier trinken. Das scheint ihm der Königsweg zu sein, "Pils und Hefeweizen sind gefragt." Auch die Speisekarte des Restaurants, in dem noch einige der Kellnerinnen im Dirndl deutscher Abstammung sind, bekommt einen neuen Look: "Wiener Schnitzel und Bratwurst geht immer, aber ich will auch Frühlingsrollen mit Sauerkraut einführen - das ist modern." Dass es auch einen Alpine-Burger gibt, versteht sich von selbst.

Den größten Andrang hat das Alpine Village von Anfang September bis Ende Oktober, wenn jedes Wochenende Oktoberfest im Bierzelt gefeiert wird, mit Lederhosen und Oompah-Musik. "Das kommt auch bei den Jungen an, da ist immer Stimmung", sagt Otto Radtke. Zweimal hat er Deutschland besucht: einmal die Heimatstädte seiner Eltern, Eutin und Gevelsberg. Das zweite Ziel war die Wiesn in München. Und die hat ihn nicht mehr losgelassen.

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